Falk Dübbert

Da der Spiegel, die Zeit und die FAZ ein paar Artikel für ein „erfolgreiches 2025“ bringen, dachte ich mir dass ich das Bloggen-wie-in-Nullerjahren-Spiel mal aufnehme und das Stöckchen mal aufnehme.
Im Grunde sind alle Artikel sehr ähnlich. Die Quintessenz ist dieser Spiegel-Artikel: In acht Schritten zum perfekten Plan für 2025.

Liest sich ganz hübsch und klappt bestimmt für die ersten Wochen. Das Problem mit diesen Ziel-fixierten Plänen ist, dass sie alle nicht funktionieren und an der Stelle „Rechenschaft“ oder „Bilanz ziehen“ im kommenden Jahr nur die Pforten für die persönliche Winterdepression weiter aufreissen.

Auch, wenn wir eine postheroische Gesellschaft anstreben sollten, halte ich es mit langfristigen Plänen mit von Clausewitz bzw. von Moltke.

Diese Erkenntnisse werden gerne zu „Ein Plan hält nur bis zum ersten Feindkontakt.“ verkürzt. Wer es weniger bellistisch aber genau so Testosteron-beladen haben will, kann ja das Zitat von Mike Tyson „Everybody Has A Plan Until They Get Punched In The Face“ anbringen.

2024 hatte für mich viel Friktion, viele feindliche Hauptmächte und viele rechte Geraden ins Gesicht gebracht.

Die BWLer-Denke ist so: Bei Dingen, wo man die Situation weitgehend selbst in der Hand hat, wie zum Beispiel dem eigenen Körpergewicht, kann man die Kalorienaufnahme und die sportliche Aktivität selbst steuern. Entsprechend ist jeder mit Über- oder Untergewicht nur nicht konsequent genug gewesen. Doof nur, wenn der wirkliche Mechanismus. zwar von außen ausgelöst, aber gar nicht von außen gesteuert werden kann und: es gibt nur Pillen für die Symptome. Die Ursache ist einfach da.

Man muss Nicht-Erreichen einfach als Realität akzeptieren so wie Erdanziehung oder das eigene Altern.
Die Stellen mit „Rechenschaft“ in den ganzen „Ratgeber“-Artikeln von Anfang-30-Redakteur*innen in aufgeräumten Stadtwohnungen mit Instagram-Feeds, die sie mit dem Lastenrad auf dem Wochenmarkt beim Biobauernstand zeigen, helfen nicht.
Es reicht, wenn man im beruflichen Kontext Ziele bekommt. Sein Leben selbst an festen Zielen festzumachen, ist einfach nicht gut.

Zugegeben: Ziele geben Struktur. Aber so wie deutsche Feuilletonisten gerne das Zitat „Erzürne nicht, setze dich ans Ufer des ruhigen Flusses und warte, bis die Leichen deiner Feinde vorbeitreiben.“ Konfuzius zuschreiben, ist das nur die halbe Wahrheit. Denn Konfuzius‘ Zitat, mit dem man Beharrlichkeit als Tugend, die zum finalen Erreichen der Ziele führt, auslobt, ist hier komplett entstellt:

Das Original ist nämlich: 子 在 川 上 曰, 逝者 如 斯夫,不舍 昼 夜

Und übersetzt sich am Ehesten zu „Die Zeit fließt wie ein Fluss. Tag und Licht vergehen.“ (Ich habe neben einem Buch und Deepl zwei des Kanton-Chinesischen mächtige, also Muttersprachler, befragt.) 逝者 bedeutet zwar vieles und kann in manchen Zusammenhängen auch Verstorbene bedeuten, aber in den Analen ist zumindest in dem Kapitel kein kriegerischer Kontext vorhanden. Damit ist die häufigste Bedeutung, „vergangene Dinge“ die naheliegende und auch die, die sich am Besten in den restlichen Text einfügt. Der beste Twist ist, dass die chinesisch sprachige Redaktion der deutschen Welle im Wissen, dass Konfuzius selten von „Feinden“ sprach, da er als Tugend-Neo-Fundamentalist Aggression, insbesondere die der um die eigene Bedeutung kämpfenden Zhou-Dynastie, ablehnte, das Zitat gleich Sun-Tzu zuschrieb.

Die Wahrheit ist, dass Ziele im echten Leben nur die grobe Richtung vorgeben sollten.

Daher plane ich zwar anzustrebene Ziele und fixiere sie auch konkret, aber das ist eher so zu sehen wie dass man Nachts auf der Nordsee den Polarstern auf der linken Schulter behält und immer Fahrt über Grund macht, um an freundlichen Küsten zu landen.

Um bei dem Gewichtsbeispiel zu bleiben. Ich nehme aktuell radikal ab, aber ob ich Ende Februar, im März oder erst April die 100kg unterschreite, ist ziemlich egal. Gesundheitlich habe ich die meisten Vorteile (Blutdruck, Blutzucker, bessere Allgemeinfitness, höhere Ausdauer) bereits einkassieren können. Die Maßnahmen auf dem Weg dahin sind mit Ausnahme der Crash-Diät nicht schädlich und ein Fluss ohne Leichen darin ist einfach schöner.


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