Falk Dübbert

Diese Woche war für viele ein harter Aufschlag auf den Boden der Realität. Man hatte sich gerade mit der Realität, dass die Wähler in den USA sich nicht deutschen Wünschen richten wollten, abgefunden, da zerplatzte die nächste Seifenblase.

Und das nächste Problem wird sein: Am Ende führt das Ganze nicht nur dazu, dass sich die Wähler von der Politik abwenden, sondern der Fachkräftemangel in der Politik noch extremer wird. Bei der letzten Wahl hatten wir die Entscheidung ob ein Karnevalsprinz oder der mit CumEx vorbelastete Hamburgische 1. Bürgermeister in die Waschmaschine einziehen soll. Parteien hatten schon immer ein Händchen für nicht nachvollziehbare Personalentscheidungen, aber die kommende Wahl bietet uns:

  • einen wegen seinem Egoismus und Klugscheißerei von seiner damaligen Chefin kaltgestellten späteren Investmentbanker
  • den wegen selektiver Gedächtnisleistung im Zuge von CumEx vorbelasteten Bürgermeister, dessen öffentliches Nachtreten ihn für jegliche Führungsposition disqualifiziert
  • einen Malermeister, der bislang weder durch Eloquenz noch andere Intellektuelle Glanzleistungen auffiel
  • einen promovierten Philosophen, der allerdings auch nicht immer sattelfest war, was die Themen anging, zu denen er eine Meinung hatte
  • einen jüngst gefeuerten Finanzminister, der mit seiner belehrenden Art, die allerdings nicht auf eigenen Leistungen beruht, allen nur noch auf die Nerven geht.
  • eine sozialistische Kaderfrau, bei der man bei genauem Hinsehen die Fäden an den Händen sieht, an denen Putin zieht.

Wäre ich der Seniorchef eines Unternehmens und auf der Suche nach einem Nachfolger, würde ich meine Angestellten auf das Ende des Unternehmens vorbereiten. Ich habe mal gelesen, dass man nur Politiker wählen soll, die man auch auf eigene Kinder aufpassen lassen würde und dieses Kriterium kippt schon alle bis auf einen aus dem Rennen. George Carlin hatte es so formuliert, dass Politiker nicht vom Himmel fallen und auch nicht durch ein Portal aus einer anderen Dimension kommen. Sie sind unter uns geboren und werden von uns gewählt. Nun kann ich „uns“, der Allgemeinheit, keinen Vorwurf machen. Ich kann höchstens eine Dysfunktion feststellen.
In diesem Fall ist es das Versagen der Selektion innerhalb der Parteien. Vertikale Organisation neigen dazu, ihre Auswahlkriterien zu „projizieren“. Mit jeder Filterstufe verliert die Organisation an Bandbreite. Das ist gut, wenn man einen ungefilterten Eingang hat, aber sehr schlecht wenn es bereits Feedback in den Eingang gibt. Um diesen Elektrotechnikersprech zu übersetzen: Wenn ich an der Basis zu Beginn noch normale Menschen habe, verliert das System im Laufe der Zeit an Vielfalt und durch Filterung auf bestimmte Eigenschaften gelangen nur Personen mit diesen nach oben. Dadurch wird auch nur dieser Typ Mensch sichtbar und die Organisation zieht zunehmend genau diesen Typ an. Jeder kann einen typischen Vertreter der Jugendorganisation jeder Parteien malen. Vermutlich wird selbst eine generative AI es können. Wer hat keinen Schulterpulli im Kopf, wenn „Junge Union“ genannt wird?

Solche Filterungen sind am Anfang wichtig und richtig, denn sie sorgen für Gemeinsamkeit und einen identifizierbaren Kern, es wird nur dann kritisch, wenn die Selektion auf Dauer zu einem „genetischen Flaschenhals“ wird. Alternativ kann eine Partei sich komplett von der Vielfalt verabschieden und die Ergebnisse der Geschehnisse 1977 bis 1982 wirken in der FDP immer noch nach.
Einige Parteien versuchen wie alle Organisationen zu einem gewissen Maß gegenzusteuern, jedoch bleiben sie mit ihrem Diversitätsbegriff bei Identitäten stehen und das hilft wenig, wenn man sich durch die Filterung von immer mehr Teilen der Allgemeinheit wegentwickelt. In der perfekten Welt gibt es ein bis zwei „Volksparteien“ und dazu Parteien mit einem engeren Themengebiet um Partikulare Interessen abzudecken. Das funktionierte auch, bis die SPD 1982 vorgeführt bekam, dass es problematisch sein kann, wenn man sein Profil zu eng wählt. Erst Gerhard Schröder löste das Problem, in dem er „Pragmatismus“ anwendete und aus dem Program alles entfernte, was irgendjemanden stören konnte. Das Ergebnis ist die „neue Mitte“. Zeitgleich mit wanderten „wandlungsfähige“ Politiker in der SPD nach oben. Die CDU schaute sich das an und perfektionierte die Förderung gut durch den Vorstand steuerbarer Kandidaten. Politik wurde Kanten- und Gesichtslos. Ein Wechsel funktionierte nie aus eigenem Programm heraus, sondern nur bei hinreichend schlechter Zufriedenheit mit der aktuellen Regierung.

Die Leute haben sich nicht für Gerhard Schröder entschieden. Sie haben sich gegen Helmut Kohl entschieden.
Die Leute haben sich nicht für Angela Merkel entschieden. Sie haben sich gegen Gerhard Schröder entschieden.
Die Leute haben sich nicht für Olaf Scholz entschieden. Sie haben sich gegen Angela Merkels CDU entschieden.
Die FDP war immer nur dann stark, wenn die CDU einen für viele unwählbaren Kandidaten präsentierte.
Einzig die Grünen und die AfD schafften 2020 einen Wahlkampf mit eigenen Botschaften und konnten mit einem Plus aus diesem hervorgehen.

Leider sind diese Allgemeinplätzchen nicht wirklich bei den Politikern angekommen und die Parteien glauben immer noch, dass ihre Programme und ihre Kandidaten über Erfolg und Misserfolg entscheiden, obwohl sie sich alle auf dem Rennen zur Mitte quasi überholen und die Beliebtheitswerte der Kandidaten mit „naja“ gut beschrieben sind. Die Grünen haben zwar für ihr Heizungsgesetz auf die Fresse bekommen wie die FDP für das bestehen auf der Schuldenbremse, aber am Ende ist allein die Tatsache, dass zwei von Grund auf kollektivistische und der Idee der Lösung von Allokationsproblemen durch Staatsintervention anhängende Parteien eine in eine Koalition mit den Liberalen treten konnten bereits Symptom einer Verwischung jeder Grenzen.

Ich frage mich immer wann ich die letzte Überzeugungstäterin in der Politik gesehen habe, also frei von Geruch, dass die Person selbst die Motivation ist und da muss ich weit zurück gehen bis Leutheusser-Schnarrenberger oder dem Rücktritt von Rudolf Seiters, für den Integrität mehr Gewicht hatte als die eigene Karriere.

Solche Politiker gibt es nicht mehr, bzw. die Parteien lassen sie gar nicht erst aufsteigen, Die 60er Jahre mit ihrem Pragmatismus und dem Zwang zur Kompromissbereitschaft, in denen unsere Eltern erzogen wurden, strahlen in die Gegenwart. Unbedingter Wille zu Karriere ist kein Problem mehr, solange man die Überzeugungen ablegen kann und berechenbar erscheint. Dadurch ergibt sich ein Gegenentwurf zur Meritokratie bei dem nicht die Hardskills zählen sondern die in der Schule längst abgeschafften Noten für Benehmen und Schönschrift.

So lange Parteien diese Gesichtsloigkeit aktiv fördern wird es immer einen Malermeister geben, der relativ einfaches Spiel hat, sich nicht als einer von denen darstellen zu können. Die Leute sind aber die undefinierbare Masse an Politikern leid.

Wir müssen wieder dazu kommen, dass der Kompromiss am Ende des Prozesses steht und nicht durch eine Orientierung zur Mitte vorweggenommen wird. Selbst wenn das einen Lagerwahlkampf bedeutet.