Falk Dübbert

Momentan gibt es wieder jede Menge Elegien zur RSS-Technologie zu lesen.
Liebe Journalisten, die Ihr auch die Entwicklung zu „dark social“ beklagt: ES STIMMT EINFACH NICHT! Es findet nur außerhalb eurer Filterblase statt.

Bei meinen Webprojekten (außer den statischen) sind die RSS-Feeds immer die am häufigsten geladenen Objekte. Selbst bei den ich-AG-Company-Blogs, bei denen ich nur technischen input dazugebe, zeigt die Auswertung auch viele Feed-Leser an. Ich bin mir absolut sicher, dass ich auch in einer Filterblase lebe, aber die Nuller-Jahre mit Web2.0 sind eben vorbei. Facebook ist immer noch groß, aber versprüht den Charme der Deutschen Telekom oder des Aufenthaltsraums im Altenheim mit seiner übermäßigen Dichte an Pöbelrentnern. Blogs werden wieder wichtiger und das, was durch die Business-Kasparisierung des letzten Jahrzehnts hops ging – die Ehrlichkeit und Verlässlichkeit – auch.
Einer der Gründe für das Ende von Google+ ist nämlich auch, dass die gesamte Idee eines „sozialen Netzwerks“ in Richtung von Whatsapp-Gruppen und direct messages abkippt. Die Form des offenen Teilens wird in den kommenden Jahren weniger wichtig. Ich bin mir relativ sicher, dass man selbst als B2C-Firma in fünf Jahren auch ohne Facebook-Präsenz klarkommen und diese Ansicht auch vertreten kann. Zweifel, dass die Aufwände, die qua Social-Media-Relation-Management in Community-Management etc. flossen, messbaren ROI ergaben, habe ich schon lange. Interaktion ist kein Umsatz und ob diejenigen mit denen ich per Facebook interagiere, Umsatz generieren, ist noch fraglicher.
An Ziel-gerichtete Werbung in sozialen Netzwerken glaube ich erst, sobald Twitter aufhört, mir Frau Kardashians Unterwäsche unter die Nase zu halten. Meine Webaktivitäten finden auch zunehmend unsichtbar statt.

  • Da wäre das Usenet. Nicht das für Bilder und Filme, sondern das zum diskutieren. Das ist wirklich tot.
  • Ich twittere noch, aber nicht in der Intensität wie früher. Auch hier findet das meiste per direct message statt.
  • Ich nutze, seit dem ich beruflich einmal durch einen allzu neugierigen Kunden meines Arbeitgebers Ärger für einen Tweet bekommen habe, Twister Twister für politische und kritische Dinge, wie den Informationsaustausch zu Sicherheitslücken in IT. (Twister hat massives Problem mit in vielen Ländern illegalen Inhalten, weil es darin keine zentralen Filter oder Takedowns geben kann. Das muss man selbst erledigen.)

Dadurch, dass Google RSS töten wollte, entsteht gerne der Eindruck, dass RSS tot sei. Sicher hat man als kommerzieller Inhaltsanbieter ein Problem mit RSS, denn RSS ist wirtschaftlich absolut uninteressant. Man kann nicht mal ein VG-Wort-Zählpixel einbauen, Werbung in RSS bringt gar nichts ein und auf shared Webspaces fressen RSS-feeds CPU und Bandbreite, wenn der Generator mehr kann, als den Content-Output mit einem anderen Filter auszugeben. Somit ist RSS kein Thema für große Präsenzen, sondern z.B. die immer mehr werdenden kleinen patreon- und flattr-finanzierten One-Man-Shows, bei denen die Finanzierung sehr indirekt über jederzeit kündbare Abo-Modelle stattfindet. Das ist natürlich etwas, was erstens in Europa und zweitens im speziell in Deutschland mit seinem eher Institutions-zentrieten Journalismus nicht unbedingt Beachtung findet.


Kommentare

  1. HI Falk, würdest du Corporate Blogs raten, auch einen RSS-Feed anzubieten? Früher hatte man das ja..glg, Meike

  2. (Autor)

    Klar. RSS-Feeds sind einfach herzustellen. Die meisten CMS-Systeme schieben die Einträge nur durch einen anderen Output-Filter und das war es. Die Aufwandsseite ist also übersichtlich. Auf der Gewinnseite, habe ich einen möglichen Platz in E-Book-Readern und Tablets bei Leuten, die zum Beispiel in Flugzeugen und Fernzügen reisen und einen großen Hunger nach Abwechslung zu ihrer schweren Literatur haben.
    Dazu kommt, dass Suchmaschinen allen voran Google, die systematisch einfach lesbaren RSS-Feeds gerne indizieren und ihnen durch die Textdichte hohen Wert beimessen. Außerdem lassen sich RSS-Feeds einfach wiederverwenden, zum Beispiel in Digital-Signage-Playern wie Screenly oder Xibo oder anderen WebProjekten, ohne dass man dazu den Auftrag an den Programmierer erweitern muss.

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